Die zwei Dimensionen des Börsenhandels

„Die ganze Börse hängt nur davon ab, ob es mehr Aktien gibt als Idioten oder mehr Idioten als Aktien.“

André Kostolany

Diese Aussage von dem bekannten Börsenexperten André Kostolany ist ebenso provokant wie relevant und trifft den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Was dieses Zitat mit den beiden Dimensionen der Börse zu tun hat und was du daraus für deinen erfolgreichen Börsenhandel lernen kannst, erfährst du in diesem Beitrag.

Ich bin der Auffassung, der Wertpapierhandel an der Börse besteht aus zwei Dimensionen. Die eine Dimension – ich nenne sie Info-Dimension – sind alle Zahlen, Daten und Fakten rund um die börsennotierten Unternehmen und das sie umgebende soziale, politische sowie wirtschaftliche Gefüge.

Die zweite Dimension ist weniger materieller Natur, sondern geistiger und befindet sich in den Köpfen der Aktionäre. Deshalb nenne ich sie auch die Kopf-Dimension.

Auch wenn wir häufig den Eindruck haben, dass beide Dimensionen einen direkten Einfluss auf die Kursentwicklungen an der Börse haben, so ist es in der Tat nur eine der beiden, die den Kurvenverlauf der Charts bestimmt – die Kopf-Dimension. Die Info-Dimension hat zwar einen direkten Einfluss auf die Kopf-Dimension jedoch über diesen „Umweg“ lediglich einen indirekten auf den Wertpapierhandel an der Börse. Bildlich dargestellt sehen die Dimensionen folgendermaßen aus:

Zwei-Dimensionen-Modell des Börsenhandels (C) Copyright Lady Invest

Das ausführende bzw. handelnde Subjekt ist am Ende immer der Aktionär, der indirekt durch äußere Umstände und Informationen und direkt durch seine persönliche Motivation angetrieben wird.

Die zentrale Frage ist, was macht unser Verstand mit den Informationen, die unser Gehirn von außen erhält und wie bewertet er sie? Jeder von uns verhält sich in der selben Situation unterschiedlich. Erhalten wir z.B. die Nachricht, dass ein Unternehmen, in das wir investiert sind, einen Geschäftsbereich verkaufen wird, so gerät der eine Aktionär vielleicht in Sorge, dass das Unternehmen offensichtlich nicht gut zu laufen scheint und entscheidet sich, seine Aktien zügig zu verkaufen. Ein anderer Aktionär hingegen bewertet diese Information ganz anders und freut sich, dass sich das Unternehmen gesund schrumpft und damit in Zukunft viel wirtschaftlicher aufgestellt ist. Dieser Aktionär entschließt sich sogar noch neue Aktien hinzuzukaufen.

Wir sehen: Ein und dieselbe Information kann dennoch verschiedene Handlungen hervorrufen.

Die Tatsache, dass der Börsenhandel maßgeblich von der Kopf-Dimension gesteuert wird und die Bewertung von Informationen aus der Info-Dimension so unterschiedlich ausfallen kann, ist der Grund, weshalb die Börse ein nur schwer vorhersehbares Konstrukt ist. Da viele Menschen – allen voran die weniger professionellen Anleger – emotionsgetrieben reagieren und speziell in dem risikoreicheren Investmentbereich an der Börse ängstlich oder vorsichtig agieren, werden die gebotenen Informationen der Info-Dimension oftmals nicht neutral oder ausreichend sachlich bewertet. Genau das meint Kostolany mit seiner anfangs zitierten Aussage über die Idioten und Aktien. Anstatt sachlich und Fakten-orientiert zu handeln, handeln viele Menschen irrational bzw. emotional und verhalten sich in seinen Augen wie „Idioten“. Damit machen sie die Börse zu einem sich chaotisch und unvorhersehbar verhaltenden Gefüge.

Zusammenhänge bei der Handlungsentscheidung eines Aktionärs bei Wertpapierkauf (C) Copyright Lady Invest

In dieser Übersicht erkennst du noch einmal die Zusammenhänge des Wertpapierhandels zwischen der Kopf- und der Info-Dimension und dass nur eine der beiden direkten Einfluss auf die Entwicklungen an der Börse hat.

Lektionen aus dieser Erkenntnis

Die erste Lektion aus dieser Erkenntnis ist die, dass derjenige, der die Kopf-Dimension der Aktionäre in seine Handlungsentscheidungen mit einbezieht, erfolgreicher an der Börse agieren kann, als der Aktionär, der sich auf die blanken Kennzahlen eines Unternehmens verlässt.

Daraus lässt sich schlussfolgern: Je unbekannter ein Unternehmen bei der Allgemeinheit ist und je weniger man darüber in der Presse hört, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier mehrheitlich professionelle Anleger mit sachlicheren Entscheidungen am Werk sind und man mit dem ausschließlichen Augenmerk auf die Unternehmenskennzahlen auch erfolgreich sein kann.

Grundsätzlich: Erfolgreicher Wertpapierhandel ist nichts anderes als gut verstandene und angewandte Psychologie.

Oder anders ausgedrückt, wer die vorherrschenden Denk- und Handlungsstrukturen (Kopf-Dimension) kennt, mit denen sich die Mehrzahl der Aktionäre in bestimmten Situationen typischerweise verhält, der kann die für die jeweilige Situation passendsten Aktionen beim Wertpapierhandel zu seinem finanziellen Erfolg nutzen.

Die zweite Lektion aus dieser Erkenntnis ist die, dass derjenige, der in der Lage ist die Gedanken und Gefühle der Aktionäre zu beeinflussen, noch erfolgreicher an der Börse agieren kann, weil er sie zu seinem Vorteil lenken kann.

GEDANKEN: Spannenderweise wird die Nutzung von Insider Informationen zum eigenen finanziellen Vorteil gesetzlich bestraft – also die Beeinflussung oder vorteilhafte Verwendung der Informationen aus der Info-Dimension. Das Ausnutzen oder gar Beeinflussen der Kopf-Dimension bleibt bislang hingegen ungestraft (z.B. vorsätzliches Schüren von Angst in der Bevölkerung, um Aktionäre zum Verkaufen zu motivieren); vermutlich weil es den wenigsten Menschen möglich ist so eine große Menge an Personen in ihrem Denken, Fühlen und Handeln zu beeinflussen – außer vielleicht einem US Präsidenten ;-).

Fazit:

Für deine Investmentstrategie ist es wichtig zu verstehen, dass weniger die tatsächlichen Unternehmenskennzahlen alleine einen Einfluss auf die Kursentwicklungen an der Börse haben, sondern die Art, wie die Aktionäre diese und weitere Informationen interpretieren und daraufhin ihr Handeln festlegen. Die Handlungsmotivation von Aktionären wird geprägt durch eine Summe unterschiedlicher Faktoren, bestehend aus relevanten Informationen zum Unternehmen, dem aktuellen sozialen, politischen sowie wirtschaftlichen Gefüge, sowie seiner persönlichen Kopf-Dimension. Letztere wiederum setzt sich zusammen aus den individuellen Einflüssen seiner mentalen inneren Einstellung, dem emotionalen Charakter, persönlicher vergangener Erfahrungen oder auch seiner Intelligenz.

Möchtest du an der Börse erfolgreich mit Wertpapieren handeln, kannst du das am besten tun, indem du verstehst, welche Arten von Aktionären es gibt und wie diese Gruppierungen die zur Verfügung stehenden Informationen typischerweise bewerten und daraufhin an der Börse in Aktion treten. Beziehst du auch die Faktoren der Kopf-Dimension stärker mit in deinen Auswahlprozess mit ein,  kann sich dies positiv auf deinen finanziellen Erfolg auswirken.  

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